LESER
Ausstellung:
Hier das Plakat meiner kommenden Ausstellung „LESER“ , Eröffnung am 01.03.2018 im Foyer der Universitätsbibliothek Stuttgart.
Mit freundlicher Unterstützung und Förderung des Freundeskreises zur Förderung der Universitästbibliothek Stuttgart e.V.
Nach dem folgenden Plakat finden Sie einen Text von Dr.Catharina Rüss über die kommende Ausstellung und meine Arbeit.
Stefan Pertschi
(geb.1978 in Stuttgart) lebt und arbeitet in Hamburg.
Von 2002 bis 2007 absolvierte er das Studium zum diplomierten Kommunikationsdesigner/ Illustrator an der HAW Hamburg. Seit 2007 ist er als freischaffender Künstler tätig.
Sein Schaffen zeichnet sich durch den Einsatz vielfältiger Medien wie Gemälde, Zeichnungen, Videos, Comics, Grafiken, Texte, Installationen und Skulpturen aus. Er gilt vor allem als Pionier des filmischen Action-Live-Paintings. Kennzeichnend für die von Pertschi entwickelte Kunstform sind der schnelle Strich in Bewegung und das humorvoll-spontane Reagieren auf Zufallsmomente. In Kollaboration mit verschiedenen Unternehmen und Kulturinstitutionen – wie etwa den Innsbrucker Festwochen oder dem Hamburger Thalia Theater – gestaltet er live gezeichnete Videos und Bühnenbilder. Diese Illustrations-Performances sind von Pertschis hoher Sensibilität für Atmosphären, Körpergesten, Rhythmen und Dialoge charakterisiert, die er in energetische Bildsprachen übersetzt.
Seine Arbeiten wurden bereits bundesweit in Galerien und Ausstellungen u.a. neben Werken von Louise Bourgeois, Joseph Beuys und Giovanni Rizzoli gezeigt.
In Pertschis Werk spiegeln sich neben seinem Interesse für variierende Formen der Illustration und Malerei auch seine Jugendsozialisation in urbanen Underground- und Street-Art-Szenen wider. Seine Kunst ist ebenso von der Improvisation, Dynamik und Anarchie nächtlicher Graffiti-Aktionen und von den rohen Tags Stuttgarter und Hamburger Betonwände durchdrungen wie von Reminiszenzen an die alten Meister. Insgesamt entfaltet sich in Pertschis spielerischem Ansatz ein breites Spektrum an Verweisen.
Bereits während seines Kunststudiums entstehen erste Spontan-Zeichnungen, die vom Gestus des Impressionismus – des situativen Festhaltens von Augenblicken – geprägt sind. Die gezeigten Bilder der Ausstellung „LESER“ stammen aus dieser Ära. In diesem Frühwerk Pertschis aus den Jahren 2004 und 2005 zeigt sich schon sein Interesse für das Festhalten vergänglicher Momente und unvorhersehbarer Ereignisse in öffentlichen Räumen. Als Inspiration für diese Zeichnungen fungierte vor allem eine dem Maler Delacroix zugeschriebene Aussage:
„Wenn Sie nicht geschickt genug sind, von einem Menschen, der sich aus dem Fenster stürzt, eine Skizze anzufertigen in der Zeit, die er benötigt, um vom vierten Stock aufs Pflaster zu fallen, so werden Ihnen die großen Maschinen niemals gelingen.“
Mit den großen Maschinen sind in diesem Zusammenhang Monumentalgemälde gemeint. Pertschi interessiert sich jedoch weniger für das Erreichen des Monumentalen als vielmehr für das Gelingen des Momenthaften, weniger für das Bombastische als vielmehr für das Besondere im Alltäglichen. In seinen Bildern, die er in öffentlichen Bibliotheken und Bücherhallen Stuttgarts und Hamburgs erstellt, bringt er gleichsam vorübergehende Ruhe-Inseln des Transitraums zum Ausdruck. Die porträtierten Fremden in der Öffentlichkeit verkörpern als Lesende kurze Augenblicke der Stille und Kontemplation im Chaos der Großstadt. Es handelt sich dabei um Augenblicke der Fragilität, die potentiell von Störungen und spontanen Begegnungen betroffen sind. Pertschi lässt sich bewusst auf diese Situation ein, indem er sich als Künstler dem Unvorhergesehenen stellt und das Flüchtige der Situation als etwas Offenes, Unabgeschlossenes und Fragmentarisches in seinen Zeichnung akzentuiert. Rückblickend erklärt er diesen Schaffensprozess als ein „Spiel mit zahlreichen Unbekannten“ und sagt: „Zu Beginn des Aufsetzens des Stiftes und beim Anvisieren meines Modelles in den öffentlichen Räumen, weiß ich nicht, was in den kommenden Minuten passieren wird. Ich weiß nicht, ob und wann sich die Person bewegen wird und ob ich für die Zeichnung eine, zwei, drei oder 10 Minuten zur Verfügung habe. Das heißt ich befinde mich unter einem permanenten Zeitdruck.“ Trotz dieses Drucks gelingt es ihm mit leichter Hand die Schönheit kurzweiliger Lesemomente in eine eigene Ästhetik zu überführen, die in den vorliegenden 50 Zeichnungen – 50 kleinen Maschinen – petit machines auf DIN A4 Papier – zu sehen ist.
Text: Dr.Catharina Rüss, 2018
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